Reaktion auf unsere Stellungnahme

Vergangenen Freitag (07.02.) veröffentlichten wir eine Stellungnahme zu den Ereignissen rund um die Jury-Rücktritte des Projektfonds Kulturelle Bildung und die vorausgegangenen mutmaßlichen Versuche politischer Einflussnahme. Einige ehemalige Jurymitglieder haben in einer eigenen Stellungnahme darauf geantwortet. Diese veröffentlichen wir hier. Restaurationsprojekt statt Inklusion, Antidiskriminierung und Partizipation? Wir, einige Mitglieder ehemaliger Juryzusammensetzungen des Projektfonds Kulturelle Bildung, sind äußerst besorgt…

Projektfonds Kulturelle Bildung - Diversitätsabbau statt Barriereabbau?!

Vergangenen Freitag (07.02.) veröffentlichten wir eine Stellungnahme zu den Ereignissen rund um die Jury-Rücktritte des Projektfonds Kulturelle Bildung und die vorausgegangenen mutmaßlichen Versuche politischer Einflussnahme. Einige ehemalige Jurymitglieder haben in einer eigenen Stellungnahme darauf geantwortet. Diese veröffentlichen wir hier.

Restaurationsprojekt statt Inklusion, Antidiskriminierung und Partizipation?

Wir, einige Mitglieder ehemaliger Juryzusammensetzungen des Projektfonds Kulturelle Bildung, sind äußerst besorgt über die Entwicklungen unserer Stadt, die sich deutlich am Beispiel der Abwicklungsbegehren der aktuellen Regierung und dem Umgang mit der Stiftung, dem Projektfonds und der Gremien des Projektfonds zeigen. 

Aktueller Anlass für diese Stellungnahme sind u.a. der Rücktritt mehrerer Jurymitglieder des Berliner Projektfonds Kulturelle Bildung, die bisherige Berichterstattung und die Stellungnahme des Migrationsrates vom 7.2.2025.

Wir bedanken uns bei allen, die bereits seit 2023 auf das scheinbare Restaurationsprojekt, also die Wiederherstellung früherer (kultur-)politischer und gesellschaftlicher Verhältnisse und exklusiver Zugänge, aufmerksam machen. Insbesondere das Gegenhalten abseits von Haushaltsaufstellungen und Haushaltsverabschiedungen bleibt oft ungehört, ist aber von großer Bedeutung für Menschen in unserer Stadt.

Mit diesem Statement möchten wir einerseits unsere Anerkennung gegenüber der Arbeit der Jury und Jungen Jury des Projektfonds Kulturelle Bildung ausdrücken, andererseits zwei Punkte zu den bisherigen Einlassungen beitragen:

1. Sog. Umstrukturierung

Im Artikel Berliner Projektfonds. Diversität unerwünscht? des nd vom 6.2.2025 heißt es u.a.: „Die Geschäftsordnung kann die Senatsverwaltung für Kultur ändern. Ein Sprecher der Verwaltung bestätigt »nd« eine Anpassung der Geschäftsordnung. »Ziel der Umstrukturierungen ist es, Aufgaben von Beirat und Jury des Projektfonds klarer voneinander abzugrenzen«, sagt der Sprecher.“

Die „Umstrukturierung und klare Trennung“ die der Sprecher der Kulturverwaltung benannt hat, bewirken unter anderem, dass die Jury und Junge Jury des Projektfonds nicht mehr bei wichtigen Entscheidungen abstimmen können. Und das obwohl die Mitglieder diejenigen sind, die sich neben den Mitarbeitenden des Projektfonds am meisten mit den jeweiligen Projekten beschäftigen.

Die sogenannte Umstrukturierung betrifft auch Entscheidungen, die über die unmittelbare Förderentscheidungen der strukturschaffenden Fördersäule II im Beirat hinaus gehen und auch grundsätzliche Fragen. Jury und Junge Jury brachten im Beirat bisher ihre Expertise ein, haben Juryentscheidungen erläutert und verteidigt sowie Weiterentwicklungen des Projektfonds auf Grundlage der Ziele für die kulturelle Bildung und Partizipation aller Zielgruppen und Bereiche miterarbeitet, mitdiskutiert und abgestimmt.

Der Begriff der Umstrukturierung scheint vor diesem Hintergrund ein Euphemismus für ein Restaurationsprojekt der aktuellen Regierung und insbesondere der beteiligten Senatsverwaltungen zu sein.

Um Fachlichkeit scheint es dagegen weniger zu gehen: Der bisher verfolgte Weg des Projektfonds Kulturelle Bildung ist wie andere Arbeitsbereiche der Stiftung deutschlandweit anerkannt, fachlich fundiert und nachhaltig in seiner Wirksamkeit. Jurymitglieder unserer Juryzusammensetzungen wurden immer wieder eingeladen, um die Juryarbeit des Projektfonds als Best Practice andernorts vorzustellen.

Statt dernaheliegenden Weiterentwicklung dieser Arbeit, scheint hier eine Politik und Art des Regierens verfolgt zu werden, die möglicherweise alle, die gegen u.a. Antidiskriminierung, Inklusion, Gendergerechtigkeit und soziale Gerechtigkeit ins Felde ziehen, verbindet und damit einen ‚gesellschaftlichen Zusammenhalt‘ und Überwindung von komplexen und unterschiedlichen Bedarfen verspricht.

Am Ende werden die politischen Entscheidungen seit 2023 aber allen Berliner*innen schaden, die nicht reich oder wohlhabend sind, und Lösungen für unsere Stadt entgegenstehen.

Auch wir als ehemalige Mitglieder der Jury Projektfonds Kulturelle Bildung waren im Rahmen unserer Tätigkeit an den Strategie- und Förderentwicklungsprozessen beteiligt. Wir sind erschüttert über die aktuellen Entwicklungen, die scheinbar hingenommen werden und im Widerspruch zu den bekannten Bedarfen junger Menschen und den wiederkehrenden Problembeschreibungen sowie politischen Versprechen in Berlin stehen. 

Wir schließen uns den Aufrufen des Migrationsrat in seiner Stellungnahme an das Abgeordnetenhaus, die Regierung, die Fachreferent*innen der benannten Verwaltungen, die Mitarbeitenden des Projektfonds und seine Gremien sowie den Medien an. Bitte nehmen Sie nicht nur einzelne Maßnahmen, sondern die gesamte Entwicklung seit Mitte 2023 in den Blick. Bitte lassen Sie die einfachen Antworten nicht stehen, sammeln Sie mühsam die Puzzlestücke und prüfen sie alle Vorgänge kritisch! 

Im Zusammenhang mit der benannten Umstrukturierung möchten wir Sie alle beispielhaft auf die Veränderungen, die mit der ‚umstrukturierten‘ Zusammensetzung des Beirats einhergehen, hinweisen. Mit dem Ausschluss der Jurys gibt es zwei Stimmen weniger im Beirat. Die Zweidrittelmehrheit, mit der abgestimmt wird, verschiebt sich dadurch zugunsten von Dreiklang-Entscheidungen der aktuellen Staatssekretär*innen (Stimmrecht/Regierungsnähe).

Wir hoffen, dass sich das Abgeordnetenhaus und insbesondere die Fachpolitiker*innen in den Bereichen Kultur, Jugend, Bildung, Soziales und Antidiskriminierung sich auch mit den ursprünglichen Plänen für den Projektfonds und die Förderung im Gegensatz zu den durchgeführten und geplanten Umstrukturierungen auseinandersetzen. Auch die evtl. politische Einflussnahme sollte sorgfältig und in größter Genauigkeit bspw. über Anhörungen und Akteneinsicht geprüft werden.

2. Besetzung der Jury

Die Besetzung der Jury sollte bisher nach einem Verfahren stattfinden, dass u.a. sowohl Fachlichkeit, Expertise und Praxis verbindet. Gleichwohl Hausleitungen und Verwaltungen immer auch ein Interesse daran haben, hier mögliche genehme Vertreter*innen einzubringen, ist es dennoch nie Praxis gewesen, dass derartig in die Besetzung der Jury bei gleichzeitiger Ungenauigkeit gegenüber den Standards zu Besetzung eingegriffen wurde.

Auch für die Weiterentwicklung der Juryarbeit und insbesondere die Stärkung der Jungen Jury vor dem Hintergrund von Armut, Marginalisierungen, Diskriminierungen und unzureichender Inklusion sowie den wortgewaltigen Ankündigungen nach Ausbrüchen von Jugendgewalt gibt es Ziele und Strategien, die im Einklang mit dem Rahmenkonzept und letztem Bericht zum Rahmenkonzept stehen, und an denen wir zum Teil als Jurys mit unseren multiprofessionellen Expertisen beitragen durften. 

Die Jury des Projektfonds beruft die Junge Jury. Mit der Stimme im Beirat konnte die Junge Jury bisher zumindest etwas Partizipation bei der Besetzung der Jury wahrnehmen. Das kann sie nun nicht mehr und die Junge Jury hat damit gar keine Teilhabe an Nachbesetzungen. Die Teilhabe von jungen Menschen hätte zukünftig deutlich gestärkt und nicht beschnitten werden sollen.

Wir hoffen darauf, dass auch die Entwicklungen rund um die Jurybesetzung insbesondere das Abgeordnetenhaus als parlamentarische Vertretung der Berliner*innen interessieren und z.B. auch über Akteneinsicht und Auseinandersetzung und Anhörungen in den Ausschüssen kritisch geprüft werden.

Wir reagieren mit diesem Statement auf den Aufruf des Migrationsrates an ehemalige Jurymitglieder des Projektfonds Kulturelle Bildung, sich für den Projektfonds und die Juryarbeit einzusetzen, und bitten den Migrationsrat unsere Stellungnahme, die auch an den Projektfonds übermittelt wird, zu veröffentlichen. 

Möge „das Beste für Berlin“ nicht nur das Beste für einige Wenige und Rückschritt für alle anderen bedeuten!

Ehemalige Jurymitglieder* der Jurys 2017 bis 2022

*Die Namen der Verfasser*innen sind dem Migrationsrat bekannt.