Pressemitteilung
Neutralitätsgesetz in Berlin: Religionsfreiheit weiterhin unter Vorbehalt
Hijab, Kippa, Turban – das Bundesverfassungsgericht hat bereits 2015 entschieden: Lehrkräfte dürfen religiöse Symbole im Schuldienst grundsätzlich tragen. Trotzdem hielt das Land Berlin fast ein Jahrzehnt an einer Sonderregelung fest, die unter dem Deckmantel der „Neutralität“ das Grundrecht auf Religionsfreiheit einschränkte.
Mit der Änderung des Neutralitätsgesetzes wird die diskriminierende Praxis nun entschärft. Grundsätzlich wird das Tragen religiöser Symbole möglich, gleichzeitig behält die Gesetzesänderung Schulbehörden das Recht vor, dies zu verbieten, sollte es zu einer „Gefährdung des Schulfriedens“ kommen. Diese Regelung öffnet nach Einschätzung des Migrationsrat Berlin „Tür und Tor für Willkür und diskriminierende Entscheidungen“.
Neutralität darf kein Vorwand für Diskriminierung sein
Auch grundsätzlich hält man die Debatte um Neutralität beim Migrationsrat für gefährlich. „Die unantastbare Würde des Menschen sowie das Prinzip, dass sich der Staat an Recht und Gesetz zu halten muss, sind auch laut Bundesverfassungsgericht zentrale Prinzipien“, betont Ed Greve, Referent für Antidiskriminierung beim Migrationsrat Berlin. „Neutralität in Schule soll Schüler*innern ermöglichen, sich auf Basis dieser Werte freie Meinungen bilden zu können. Vor diesem Hintergrund muss Schule Positionen beziehen, auch für die Wahrung der Religionsfreiheit.“
Greve kritisiert zudem die politische Debatte der vergangenen Jahre: „Rechte und autoritäre Kräfte auch innerhalb der SPD haben jahrelang einen Diskurs vorangetrieben, der Neutralität als Meinungslosigkeit deutet. Wo das hinführt, sehen wir, wenn an Schulen gesichert rechtsextreme Parteien Auftritte haben oder auch an den jüngsten Verboten von Regenbogenflaggen an öffentlichen Gebäuden durch die CDU im Bund.“
Gefahr durch fehlende diskriminierungskritische Kompetenz
Trotz Gesetzesänderung bleibt der Migrationsrat skeptisch, ob sich die Praxis wirklich ändern wird: „In Berlin gibt es auch für Leitungskräfte und Mitarbeiter*innen in den Schulbehörden keine diskrimierungskritische Ausbildung. Wir müssen also davon ausgehen, dass auch in Zukunft Lehrkräften ein Einschnitt in ihre Grundrechte droht““, sagt Ed Greve.
Mit seinem Bildungsprojekt Kompetenzstelle intersektionale Pädagogik (i-PÄD) hat der Migrationsrat selbst über zehn Jahre im Auftrag der Bildungsverwaltung, jetzt im Auftrag der Antidiskriminierungsverwaltung, Fortbildungen für Lehr- und Verwaltungskräfte gegeben.