Kritik am neuen Berliner Bildungsprogramm: Bündnis fordert mehr Diversität, Partizipation, Anerkennung von Fachlichkeit und Kinderrechten

PRESSEMITTEILUNG Kritik am neuen Berliner Bildungsprogramm: Bündnis fordert mehr Diversität, Partizipation, Anerkennung von Fachlichkeit und Kinderrechten Berlin, 3. Juli 2025 — Die Überarbeitung des Berliner Bildungsprogramms (BBP) für Kitas und Kindertagespflege sorgt derzeit für breite und berechtigte Kritik. Fachkräfte, Wissenschaftler*innen, Gewerkschaften, Elterngremien und zivilgesellschaftliche Organisationen schlagen Alarm: Das neue BBP droht zentrale Werte und Prinzipien…

PRESSEMITTEILUNG

Kritik am neuen Berliner Bildungsprogramm: Bündnis fordert mehr Diversität, Partizipation, Anerkennung von Fachlichkeit und Kinderrechten

Berlin, 3. Juli 2025 —

Die Überarbeitung des Berliner Bildungsprogramms (BBP) für Kitas und Kindertagespflege sorgt derzeit für breite und berechtigte Kritik. Fachkräfte, Wissenschaftler*innen, Gewerkschaften, Elterngremien und zivilgesellschaftliche Organisationen schlagen Alarm: Das neue BBP droht zentrale Werte und Prinzipien aufzugeben, für die das Berliner Modell bislang bundesweit als vorbildhaft galt – darunter die Anerkennung von Vielfalt, Partizipation, Diskriminierungskritik und die Rechte der Kinder.

Sascha Verlan & Almut Schnerring, Autor*innen und Expert*innen für vorurteilsbewusste Bildung

Das Bündnis kritisiert insbesondere die Abkehr von diversitätssensiblen, inklusiven und partizipativen Ansätzen. Anstelle eines starken pädagogischen Selbstverständnisses positioniert der Entwurf Fachkräfte als bloße Ausführende vorgegebener Standards – und nicht als verantwortungsvolle Mitgestalter*innen frühkindlicher Bildung. Dies widerspricht dem Anspruch an eine professionelle, ganzheitliche und beziehungsorientierte pädagogische Praxis.

Dr. Seyran Bostancı, Vorstandsvorsitzende vom Institut Kinderwelten e.V.

Subjekt- und beziehungsorientiertes Arbeiten ist nicht nur pädagogisch geboten, sondern auch arbeitskulturell zentral. Diversitätssensible Perspektiven und professionelle Urteilskraft sind dabei unverzichtbar. Die Vernachlässigung dieser Perspektiven in Verbindung mit der Einführung standardisierter Instrumente birgt nicht nur Benachteiligungsrisiken für Kinder, sondern auch erhebliche Konsequenzen für die pädagogischen Fachkräfte: Sinnverlust, Unzufriedenheit, Burnout, ein wachsender Exodus aus dem Berufsfeld – oder gar der Verzicht auf eine Ausbildung in diesem Bereich – sind die Folge.

María Rojas Brahm, Kitaleitung (Rosarote Tiger und gelbgrüne Panther)

Besonders gravierend ist die inhaltliche Unausgewogenheit im Bereich von Inklusion, Diskriminierungskritik und geschlechtlicher sowie sexueller Vielfalt. So finden Themen wie Rassismus, Adultismus, soziale Herkunft und die Lebensrealitäten inter*, trans* und nicht-binärer Kinder kaum oder keine Berücksichtigung. Auch die Vielfalt von Familienformen und sexualpädagogische Aspekte fehlen weitgehend. Der bisher zentrale Ansatz der vorurteilsbewussten Bildung und Erziehung wird nur am Rande erwähnt. All dies steht in klarem Widerspruch zur gesellschaftlichen Realität in Berlin und zu den Rechten aller Kinder auf Schutz, Sichtbarkeit und Förderung.

Andrea Kühnemann, Landesbezirksleiterin von ver.di Berlin-Brandenburg

Hinzu kommt, dass der Entwurf ohne eine systematische Beteiligung relevanter gesellschaftlicher Akteur*innen entstanden ist. Instrumente zur Beobachtung, Dokumentation und Einschätzung zielen auf Standardisierung und Vergleichbarkeit – nicht auf individuelle Förderung. Sie drohen insbesondere Kinder mit mehrsprachigem Hintergrund durch defizitorientierte Raster zu benachteiligen. Zudem besteht bei digitalisierten Verfahren unter Zeitdruck die Gefahr, dass Dokumentation wichtiger wird als das Kind selbst. Pädagogische Beziehungen und individuelle Entwicklungsprozesse werden so durch Messbarkeitslogiken ersetzt – eine problematische Verschiebung.

Kai Hanke, Geschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes

Ein weiteres zentrales Defizit betrifft den Umgang mit Mehrsprachigkeit und Bilingualität. Während die Grundsätze der QVTAG (Qualitätsvereinbarung Tageseinrichtungen) ausdrücklich die Förderung von Mehrsprachigkeit und die Entwicklung bilingualer Konzepte betonen, bleibt das BBP inhaltlich deutlich dahinter zurück. Diese Lücken führen in der Praxis zu großer Verunsicherung bei Trägern und Fachkräften, da es an klaren Orientierungen für einen systematischen und ressourcenorientierten Umgang mit sprachlicher Vielfalt fehlt.

Deshalb fordern wir als Bündnis eine grundlegende Überarbeitung des Bildungsprogramms: transparent, demokratisch, diskriminierungskritisch und fachlich fundiert. Es braucht ein BBP, das die Rechte und Lebensrealitäten aller Kinder in Berlin aktiv schützt und fördert – und pädagogische Fachkräfte nicht schwächt, sondern in ihrer Professionalität stärkt. Nur so kann frühkindliche Bildung zukunftsfähig und gerecht gestaltet werden.

Anfragen an info [at] vielfaltverankern.de

  • Amaro Drom
  • ASP (Agentur für Soziale Perspektiven e.V.)
  • BEFaN-Netzwerk & Projektentwicklung Yekmal e.V. (Verein der Eltern aus Kurdistan in Deutschland / Yekîtiya Malbatên ji Kurdistanê li Almanyayê)
  • Dachverband Berliner Kinder- und Schülerläden (DaKS) e.V.
  • EqualCare-Akademie & Rosa-Hellblau-Falle
  • GEW BERLIN – Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft
  • HSL Care Initiative an der ASH Berlin (Hochschullehrende der ASH in ver.di)
  • Institut Kinderwelten e.V.
  • KiDs Courage
  • klische*esc e.V. – Gemeinnütziger Verein zur Förderung von Wahlfreiheit jenseits limitierender Rollenklischees
  • LEAK – Landeselternausschuss KITA Berlin
  • LIFE – Bildung Umwelt Chancengleichheit
  • Migrationsrat Berlin – Träger der Kompetenzstelle intersektionale Pädagogik (i-PÄD)
  • Netzwerk Gemeinsamer Diskriminierungsabbau in der frühkindlichen Bildung (GeDAB)
  • Regenbogenfamilienzentrum Lichtenberg (LesLeFam) –
  • Schwulenberatung Berlin (Kitas rosarote Tiger und gelbgrüne Panther)
  • Sources-d’Espoir e.V.
  • Team Regenbogenfamilien des LSVD Verband Queere Vielfalt Berlin-Brandenburg e.V.
  • Queerformat e. V.
  • Vereinte Dienstleistungsgesellschaft – Ver.di
  • Wildwasser e.V.

Kontakt für Rückfragen & Interviews:

Ed Greve
ed.greve[at]migrationsrat.de
0176 99 11 49 43