Große Sorge um die protestierenden Flüchtlinge auf dem Dach der Gerhart Hauptmann Schule

Am Dienstag, den 24.06.2014, hat der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg mit der Räumung der Gerhart- Hauptmann-Schule in Kreuzberg begonnen und hierfür eine massive Polizeipräsenz angefordert. Die Räumung wurde ohne vorherige Bekanntgabe angesetzt. Noch wenige Tage vorher hatte Baustadtrat Hans Pannhof (Grüne) gegenüber den Bewohner_innen der Schule geäußert, dass sie im Fall einer Räumung genügend Zeit bekommen würden,…

Am Dienstag, den 24.06.2014, hat der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg mit der Räumung der Gerhart- Hauptmann-Schule in Kreuzberg begonnen und hierfür eine massive Polizeipräsenz angefordert. Die Räumung wurde ohne vorherige Bekanntgabe angesetzt. Noch wenige Tage vorher hatte Baustadtrat Hans Pannhof (Grüne) gegenüber den Bewohner_innen der Schule geäußert, dass sie im Fall einer Räumung genügend Zeit bekommen würden, die Schule zu verlassen. Jedoch wurden die Menschen in der Schule, teilweise durch die Flucht stark traumatisiert, in den Morgenstunden des 24.06.2014 von der Räumung überrascht.

Die Ohlauerstraße wurde von der Polizei weiträumig abgesperrt und in vereinzelten Fällen wurden Eltern nicht zu ihren sich auf dem Schulgelände oder im Haus befindenden Kindern gelassen. Daher sind manche der Bewohner_innen über den Zaun auf das Gelände geklettert. Die Kinder mussten die Polizeieinsätze und den Einsatz von Pfefferspray gegen die solidarischen Unterstützer_innen in der direkten Umgebung mit ansehen. Vor dem Abtransport sind die persönlichen Gegenstände der Roma-Familien aufgrund des Regens und der viel zu frühen Aufforderung, vor der Schule auf den Abtransport zu warten, fast gänzlich unbrauchbar geworden. Die Polizei ging seit der Räumung immer wieder gegen die solidarischen Unterstützer_innen vor und es kam zu zahlreichen Festnahmen.

Über 200 Personen verließen die Schule und sind in anderen, teils sehr abgelegenen Unterkünften, untergebracht worden. Eine Gruppe von über 40   Personen ist aus Protest über die unangekündigte Räumung auf das Dach der Schule gestiegen. Im  Falle der Zwangsräumung seitens der Polizei sind sie
bereit, vom Dach zu springen und ihr Leben für den politischen Kampf um ihre Rechte zu opfern.

Seit dem Beginn der Räumung werden die Bewohner_innen der Schule ausschließlich von Unterstützer_innen mit Essen versorgt. Am Mittwoch, den 25.06.2014, wurden die von den Unterstützer_innen beschafften, jedoch unzureichenden Lebensmittel erst nach langen Auseinandersetzungen mit der Polizei und dem Bezirksamt den Bewohner_innen übergeben worden. Selbst am 3. Tag sah der Bezirk sich nicht veranlasst, die Bewohner_innen mit Essen zu versorgen. Nur durch Kirchenvertreter_innen konnte den Bewohner_innen Essen gebracht werden. Sogar Vertreter_innen der Presse wird der Zugang zu den  Geflüchteten versperrt.

Die Behauptungen, dass die Bewohner_innen Molotowcocktails gebaut hätten, sind ins Leere gelaufen. Bei den von der Polizei vermuteten Molotowcocktails handelte es sich um zwei leere Flaschen. Eine andere Behauptung, dass die Bewohner_innen das Gebäude anzünden würden, wurde von den Bewohner_innen in einer handschriftlich angefertigten Erklärung dementiert. In dieser Erklärung betonen sie, dass sie niemanden gefährden wollen.

Sanchita Basu, Vorständin des Migrationsrat Berlin-Brandenburg ist in großer Besorgnis um das Wohlergehen der Geflüchteten und sagt:
„Die Forderungen der Geflüchteten auf dem Dach der Schule sind berechtigt und sind äußerst besorgt,  dass der Bezirk und der Senat das berechtige Misstrauen der Bewohner_innen nach dem desaströsen Vorgehen gegen die Geflüchteten vom Oranienplatz nicht ernst nimmt und statt dessen die Geflüchteten mit massiver und militarisierter Polizei zwangsräumen lassen will. Wir sind äußerst besorgt, dass sowohl Bezirk als auch Senat auf eine Politik der Eskalation setzen, anstatt auf lösungsorientierte, der Lebensrealität der Geflüchteten angemessenen und unter Berücksichtigung ihrer Forderungen Gespräche mit den Geflüchteten zu führen. Wir sind äußerst besorgt, dass Kreuzberg sich in die Festung Europas einreiht und die Kriminalisierung von geflüchteten Menschen im eigenen Bezirk durchsetzen will – anstatt sich für eine solidarische Politik einzusetzen. Wir sind besorgt, dass der Bezirk und der Senat durch einen weiteren Polizeieinsatz mutwillig das Leben der Geflüchteten aufs Spiel setzen könnte und appellieren dringend ernsthafte, deeskalierende Verhandlungen zu führen und sie nicht zu kriminalisieren, um einen möglichen gewaltsamen Einsatz der Polizei zur Räumung zu rechtfertigen. Wir sind bereit diesen Prozess zu begleiten und zu unterstützen.“

Wir fordern daher:

Die sofortige Beendigung der seit 24.06.2014 begonnen Räumung der Gerhart-Hauptmann-Schule und den sofortigen Abzug des massiven Polizeiaufgebots!

Den Forderungen der Flüchtlingen nachzukommen, u.a. Erteilung des Aufenthalts nach § 23 Aufenthaltsgesetz durch den Innensenator!

Die Wahrung der Menschenrechte der Protestierenden durch die Entscheidungsträger_innen: Sicherstellung der Gesundheit und des Wohls, einschließlich Nahrung, Kleidung und ärztliche Versorgung!

Die Aufnahme ernstzunehmender Verhandlungen und die Hinzuziehung von neutralen Beobachter_innen und Vermittler_innen aus den Migrannt_innenselbstorganisationen!

Den uneingeschränkten Einlass der Presse in die Schule!

Ansprechpartnerin: Sanchita Basu

Der Migrationsrat Berlin – Brandenburg ist eine bundesweit einmalige Dachorganisation von über siebzig Migrant_innen-Selbstorganisationen, die sich jenseits von Merkmalen wie Herkunft, Religion, Geschlecht oder sexueller Orientierung als politische Lobby organisiert haben. Ziel ist die völlige rechtliche, soziale und politische Gleichstellung und Teilhabe von Migrant_innen, ihren Nachfahren und anderen People of Color.

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