6. Dezember 2021

Eishockey gilt als weißer Sport. Ehrenamt bei Hockey is Diversity e.V.

von Peter Goldbach

Peter Goldbach (links im Bild) ist Mitgründer und Vorstandsmitglied von Hockey is Diversity e.V. Er ist seit über zehn Jahren gegen Rassismus und Diskriminierung im Eishockey aktiv.

Anfänglich noch eine Initiative, wurde der Verein Hockey is Diversity von Dr. Martin Hyun und mir im Jahr 2010 gegründet. Als ehemaliger Eishockeyspieler mit südkoreanischen Wurzeln, einer Sportart, die nicht mit asiatisch gelesenen Menschen verbunden wird, hat Martin Hyun auf allen Ebenen Rassismus erdulden müssen. Auch ich habe eine Eishockey-Vergangenheit und habe Diskriminierung und Mobbing in verschiedenen Teams erlebt. Die Erfahrung, die wir in unserem Sport gemacht haben, brachte uns zusammen. Wir wollten auf die Thematik Rassismus und Diskriminierung im Eishockey aufmerksam machen und aktiv dagegen vorgehen. Immer wieder kommt es zu rassistischen und diskriminierenden Vorfällen im Eishockey – ob auf dem Eis oder den Tribünen. Fakt ist: Überall, wo Spieler*innen of Color spielen, kommt es zu rassistischen Vorfällen. Unser Ziel ist es, mit unseren Projekten zu einer inklusiven Kultur im Eishockey beizutragen, unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Religion oder Beeinträchtigung. Eishockey ist nicht immun gegen Rassismus und Diskriminierung. Eishockey gilt als weißer Sport.

Bei unseren Anti-Rassismus-Schulungen erleben wir immer wieder, wie Nicht-Betroffene von Rassismus in einer «weißen Bubble» – eine Art Winter Wonderland – leben. Für sie ist es schwer nachzuvollziehen, was Menschen of Color täglich widerfährt. Wir beginnen unsere Schulungen immer mit dem Hinweis, dass die Teilnehmenden versuchen müssen, sich in eine andere Perspektive hineinzuversetzen. Bei den Schulungen fangen wir bereits bei den U13-Mannschaften an. Die Aneignung von Wissen zur Thematik ist enorm wichtig. Die jungen Spieler*innen sind dabei die nächste Generation, die unsere Eishockeywelt inklusiver gestalten kann.

In den Anfangszeiten haben wir unsere Botschaft mittels Social Media und Webseite nach außen getragen. Die Projekte, die wir umgesetzt haben, wurden aus eigenen und privaten Mitteln finanziert. Es kam hin und wieder vor, dass uns Unterstützer*innen mit Sach- und Geldspenden unterstützen. Anfänglich gab es in unserer Initiative keine richtige Struktur, wie man es aus klassischen Unternehmen und Organisationen kennt. Die Strukturierung kam mit der Zeit. Und mit der Zeit, konnten wir Mitstreiter*innen für unseren Verein gewinnen.

Nach fünf Jahren als Initiative war uns klar, dass wir einen Verein gründen müssen. Das passierte 2015. Hier wurden wir von unserem «Organ der Rechtspflege» unterstützt, ein ehemaliger Eishockeyspieler, der eine juristische Laufbahn eingeschlagen hat. Obwohl Hockey is Diversity mittlerweile fast ein Hauptberuf geworden ist, was die Auslastung und Arbeitszeiten anbelangt, gehen alle 13 Mitglieder einem Hauptjob nach.

Mittlerweile sind wir auch international aktiv und haben Mitglieder, die unsere Botschaft in Norwegen und England weiter vorantreiben. Wir arbeiten mit der besten Liga der Welt zusammen, der NHL und der nordamerikanischen Spieler*innen-Gewerkschaft NHLPA. Im letzten Jahr bat uns die NHL, bei der Restrukturierung ihres Programms «Hockey Is For Everyone» um unsere Expertise. Das war eine große Wertschätzung unserer Arbeit. In der internationalen Eishockey-Community sind wir mittlerweile bekannt.

Bisher haben wir keine Bundes-, Länder- oder EU-Fördergelder beantragt oder erhalten, um unsere Projekte zu finanzieren. Durch die Partnerschaft mit der DEL, der höchsten deutschen Profi-Eishockey-Liga mit insgesamt 15 Teams, sehen wir keine andere Möglichkeit mehr, die rund 15 Projekte, die wir im Jahr umsetzten, aus Spenden oder privaten Mitteln zu finanzieren. Hier benötigen wir Expertise, die uns dabei unterstützen, Anträge auf Landes-, Bundes- oder EU-Förderung zu formulieren.

Eine große Herausforderung ist es, dass jedes unserer aktiven Mitglieder mehrere Aufgaben übernimmt. Es ist nicht einfach, Gleichgesinnte zu finden, die einerseits unsere Vision teilen und andererseits die Projektarbeit mit der gleichen Leidenschaft umsetzen. Je mehr Leute involviert sind, desto akribischer müssen Arbeitsprozesse eingehalten werden. Der Informationsfluss ist sehr wichtig für unsere Arbeit, damit alle Mitglieder auf demselben Wissensstand sind. Was früher einfach über Messenger-Nachrichten besprochen wurde, bedarf heute einer professionellen Struktur. Meetings werden teilweise online oder in Präsenz abgehalten. Dabei darf nicht vergessen werden, dass dies Normalzustand ist bei einem Hauptjob, jedoch nicht im Ehrenamt, also in der Freizeit. Das ist eine große Herausforderung.

In vielen Fällen müssen wir als Verein schnell reagieren, sei es bei einem rassistischen Vorfall gegen Menschen of Color bei einem Eishockeyspiel oder diskriminierenden Vorfällen gegenüber Frauen. In der Eishockeywelt herrscht eine Kultur des Aushaltens und Schweigens. Rassistische Vorfälle werden unter den Teppich gekehrt oder es wird abgewartet, bis die mediale Aufmerksamkeit sinkt. Mit unserem Reporting-System kann sich jede*r an uns wenden, auch anonym, um rassistische oder diskriminierende Vorfälle zu melden.

Die Corona-Pandemie war für uns, wie für viele andere auch, eine große Herausforderung. Durch die Einschränkungen konnten wir viele unserer Projekte nicht durchführen. Unsere Kommunikation verlagerte sich auf Online-Meetings. Wir konnten einige Gesprächsrunden zum Thema Rassismus und Gleichberechtigung über Videokonferenzen abhalten. Die Aufzeichnungen haben wir online für alle einsehbar veröffentlicht. Alle, die an der Thematik interessiert sind und Teil der Lösung sein möchten, können sich durch unsere Videos weiterbilden.

Rückblickend kann ich guten Gewissens sagen, dass wir unsere Arbeit mit dem gleichen Herzblut wieder genauso machen würden. Der nächste Schritt für uns ist es, dass wir uns weiter professionalisieren. Idealerweise würden wir unser Ehrenamt in Voll- oder Teilzeit ausüben, da wir den Workload mittlerweile kaum noch nebenbei gestemmt bekommen. Dadurch eröffnen sich für uns viel mehr Möglichkeiten, um die Thematik weiter voranzutreiben.

Das Logo von"Berlin / Europäische Freiwilligenhauptstadt 2021"Berlin ist im Jahr 2021 Europäische Freiwilligenhauptstadt – mit dem Titel würdigt das Europäische Freiwilligenzentrum (Centre for European Volunteering), was Berlin und seine Menschen im freiwilligen Engagement und Ehrenamt leisten. Das Aktionsjahr 2021 steht unter dem Motto #EntdeckeDasWirInDir. Der Migrationsrat Berlin e.V. ist Projektpartner im Aktionsfeld «Migration und Teilhabe». Der Beitrag ist im Rahmen unseres Dossiers «Ehrenamt» entstanden und und wurde im Rahmen der Europäischen Freiwilligenhauptstadt von der Schwarzkopf-Stiftung Junges Europa, dem betterplace lab und der Berliner Senatskanzlei gefördert.