8. März 2016

Wir Frauen – gegen Rassismus und für Würde!

     Wir:

  • Frauen mit Migrationshintergrund
  • Schwarze Frauen
  • Frauen of Color
  • Frauen mit Kopftuch
  • Frauen, die wir seit Generationen in diesem Land leben und immer noch gefragt werden, wo
    wir herkommen
  • wir Frauen, die wir gerade erst angekommen und Überlebende sind.

Wir Frauen fühlen uns seit der Silvesternacht 2015/16 benutzt und instrumentalisiert. Wir fühlen uns von den öffentlichen Medien und von der Politik weit über die Grenzen der Bundesrepublik missbraucht und vergewaltigt. Unsere Körper werden für eine rassistische Politik und Gesetzgebung benutzt, die sich gegen unsere Väter, Brüder und Söhne, aber auch gegen unsere Mütter, Schwestern und Töchter wendet. Wir sehen nicht, dass die Skandalisierung sexistischer Gewalt in den Medien unsere Körper schützt.

Denn wir fühlen uns benutzt, wenn unsere Körper instrumentalisiert werden, um neue “sichere
Herkunftsstaaten” zu definieren, um neue Abschiebegründe zu definieren und um den Familiennachzug auszusetzen. Wir sehen unsere Schwestern und Mütter bedroht, weil Deutschland und Europa sie ertrinken lässt.

Wir fühlen uns von deutschen Männern benutzt, die in unserem Namen ein neues “Asylpaket” verabschieden, das über das Lebensrecht von Menschen entscheidet, und damit in Wirklichkeit Menschenrechte aussetzt. Dieses Gesetz gewährt kein Asyl, sondern stellt sich gegen diejenigen, die Tod, Trauma, Gewalt, Vergewaltigung, Hunger, Kälte, Hitze, Durst, … erlebt haben.

Erfahrungen, die die Politiker_innen hierzulande nicht in der Breite und Tiefe kennen – und sich dennoch in ihrem Wohlfahrtsstaat bedroht fühlen. Aufgrund dieser emotionalen Lage wollen sie nicht teilen und Schutz anbieten. Sie fühlen sich bedroht, weil sie denken ihr Reichtum gründe auf
rechtmäßiger und fleißiger Arbeit. Aber wir wissen auch, dass die ungerechte Plünderung von Jüdinnen und Juden und Sint*ezza und Rom*nja in Deutschland zur Zeit des Nationalsozialismus rechtmäßig war.

Die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte, Jahre und vor allem der letzten Monate, in der rassistische Gewalt und Gesetzgebungen normalisiert werden, sind in der deutschen Geschichte nicht unbekannt. Es ist nicht unbekannt, dass in diesem Land “rechtmäßig” Menschen gebrandmarkt wurden – dass in diesem Land “rechtmäßig” Menschen aus dem öffentlichen Raum verwiesen wurden, dass sie
ausgewiesen, geplündert, als Opfer durch den Staat zu Tätern erklärt und getötet wurden. Wir kennendie “rechtmäßige” Vorbereitung durch die Nationalsozialisten als Vorbereitung des Holocausts und die Fortsetzung von Diskriminierung und Gewalt nach der Shoah und Pharrajmos, insbesondere für
Sint*ezza und Rom*nja und andere Opfergruppen.

Daher sind wir in hohem Maße besorgt, dass durch die tödliche Logik von “Obergrenzen” in Verbindung mit dem Gefühl der Bedrohung gesellschaftlich gezündelt wird – was sich in Gewaltakten gegen Menschen of Color, gegen Notunterkünfte und andere Lager zeigt.

Wir klagen den politischen Starrsinn an!
Wir klagen die rassistischen Gesetze und das neue “Asylpaket II” an!
Wir klagen die Benutzung unserer Körper an!
Wir klagen die Zustände an der LaGeSo in Berlin an!
Wir klagen die unterlassene Hilfeleistung der Verwaltung an!
Wir klagen den Missbrauch des breiten zivilgesellschaftlichen Engagements an!
Wir klagen die Benutzung nachbarschaftlicher- und menschlicher Hilfe von Politik und Verwaltung,
um sich aus der Verantwortung zu stehlen, an!
Wir klagen an, dass Migrationshintergrund ein offener beziehungsweise “augenscheinlicher”
Diskriminierungsgrund ist, Einlass nicht zu gewähren, nach Papieren gefragt zu werden, verprügelt zu werden!
Wir fragen uns, steigt der Geist des Nationalsozialismus wieder auf?

Wir fragen uns, wird hier eine tödliche Politik vorbereitet, die im Mittelmeer und der Ägäis endet, außerhalb des Blickfelds von Deutschland?
Wir fragen uns, warum gibt es so wenig Widerstand gegen die tödliche Logik von ‘sicheren Grenzen’ und ‘Obergrenzen’?
Wir fragen uns, gehört der Rassismus zu Deutschland?

Vor lauter Angst, Wut und Verzweiflung und dem Gefühl der Ohnmacht bleibt uns kaum noch Luft zum Atmen.
Wir sehen nicht, dass Deutschland sich abschafft, nein! 2015 waren wir davon überzeugt, dass Deutschland in Solidarität (auf-) steht, menschliche Größe und historische Verantwortung zeigt. Aber jetzt sehen wir seit Anfang des Jahres erneut, dass Deutschland sich von seiner kleingeistigen, ängstlichen und rassistischen Seite zeigt.
Wir fordern dringend dazu auf, gegen die Normalisierung von rassistischer Gewalt aufzustehen, weil wir die Demokratie gefährdet sehen!

Wir fordern auf, gemeinsam in die Zukunft zu gehen, denn wir sind alle Menschen und unsere Würde ist unantastbar!

Anmerkung: Wenn wir “Frau” oder “Frauen” schreiben, dann meinen wir alle Menschen, die sich mit
dieser Kategorie identifizieren können.

Unterzeichnende Personen

Sanchita Basu (Migrationsrat Berlin-Brandenburg e.V.)
Magdalena Benavente Larios (Migrationsrat Berlin-Brandenburg e.V.)
Meral El (Migrationsrat Berlin-Brandenburg e.V.)
Noa Ha (Migrationsrat Berlin-Brandenburg e.V.)
Cristina Martín Asensio (Migrationsrat Berlin-Brandenburg e.V.)
Nuran Yigit (Migrationsrat Berlin – Brandenburg e.V.)
Didem Yüksel (Migrationsrat Berlin-Brandenburg e.V.)
Tuğba Tanyılmaz (Migrationsrat Berlin-Brandenburg e.V.)
Larissa Hassoun (Migrationsrat Berlin-Brandenburg e.V.)
Clementine Burnley (Migrationsrat Berlin-Brandenburg e.V.)
Cemile Karaman (bridge Berliner Netzwerk für Bleiberecht)
Salma Arzouni (GLADT e.V.)
Céline Barry (ADNB des TBB, yantaru*)
Eva Maria Andrades (ADNB des TBB)
Senami Zodehougan (i-PÄD)
Iris Rajanayagam
Canan Turan
Emine Aslan
Emilia Roig
Anh Thu Nguyen
Karen Michelsen Castañón
Olenka Bordo Benavides
Natasha Aruri
Onur Suzan Nobrega (Goldsmiths, University of London)
Isidora Randjelović (IniRromnja)
Darinka Ezeta Batres
Hajdi Barz (IniRromnja)
Noémi Michel
Marula Di Como (kollektiv migrantas.org)
Dr. Azadeh Sharifi
Jaya Chakravarti (MSO – Inklusiv!)
Melek Altin (Frauenhaus Berlin)

Unterzeichnende Organisationen:
#SchauHin
Lesbenberatung Berlin /LesMigraS
PoC Hochschulgruppe Mainz
yan-taru*
#ausnahmslos
GLADT e.V.
xart splitta e.V.
Reach Out e.V.
i-PÄD – Initiative intersektionale Pädagogik
Die Frauen* vom Asta Alice Salomon Hochschule
Interkulturelles Frauenzentrum S.U.S.I.

Kontakt für Rückfragen & Interviews:

Ed Greve

Telefon/Mobil: 0176 99 11 49 43