Ein Jahr neues Staatsangehörigkeitsgesetz – Rückschritt statt Fortschritt
Vor einem Jahr, am 27. Juni 2024, trat das reformierte Staatsangehörigkeitsgesetz in Kraft. Mit der Anerkennung der doppelten Staatsangehörigkeit wurde zwar ein längst überfälliger Schritt vollzogen – gleichzeitig wurden jedoch viele Regelungen verschärft. Besonders betroffen: die Anforderungen an die Sicherung des Lebensunterhalts. Menschen, die etwa krank sind oder Angehörige pflegen und deshalb ihren Lebensunterhalt nicht eigenständig bestreiten können, sind nun von der Anspruchseinbürgerung ausgeschlossen. Das ist nicht nur unsozial, sondern klar diskriminierend.
Zwar wurden die Aufenthaltsfristen verkürzt, doch inzwischen werden einzelne Erleichterungen wieder zurückgenommen. So soll die sogenannte „Turbo-Einbürgerung“ nach drei Jahren – vorgesehen für besonders engagierte Menschen, z.B. mit Sprachniveau C1 und eigenständiger Lebensunterhaltssicherung – künftig entfallen.
„Dabei war gerade diese Regelung ein starkes Zeichen: Sie sollte Menschen anerkennen, die sich aktiv einbringen, gute Sprachkenntnisse vorweisen und Verantwortung übernehmen. Sie hätte ihnen frühzeitig politische Mitbestimmung und gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht. Statt das Zusammenwachsen unserer Gesellschaft zu beschleunigen und zu erleichtern, werden nun neue Hürden aufgebaut“, so Mallika Basu (Referentin für Staatsangehörigkeit und Partizipation).
Die geplante Verlängerung der Frist sendet ein gegenteiliges Signal: Sie entmutigt Menschen, die sich um eine rasche und umfassende Eingliederung bemühen, und verzögert ihre volle gesellschaftliche Teilhabe. Wir appellieren an Herrn Innenminister Dobrindt diese Entscheidung zu überdenken: Eine moderne und zukunftsorientierte Politik muss Anreize schaffen und Wege ebnen, anstatt sie zu erschweren.
Die Nachfrage ist groß: In Berlin wurden im vergangenen Jahr fast 22.000 Menschen eingebürgert. Viele warten dennoch seit Monaten, teils Jahren, auf ihre Einbürgerung. Angesichts politischer Debatten zur Staatsangehörigkeit wächst die Sorge vor weiteren Verschärfungen.
Einbürgerung muss einfacher, transparenter und gerechter werden – im Interesse einer offenen, solidarischen Gesellschaft.