2. Juni 2020

Verabschiedung des LADG: Etappensieg für die Antidiskriminierungsarbeit?

Update vom 04.06.2020: Das LADG ist beschlossen!

Am 04. Juni findet die voraussichtlich letzte Beratungssitzung über das Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) im Berliner Abgeordnetenhaus statt. Damit steht das LADG nach langen Jahren unermüdlicher Verhandlungen und trotz der massiven Abwehr bei Teilen der Politik und Verwaltung vor seiner Verabschiedung. Zivilgesellschaft und Verwaltung bekommen neue Hausaufgaben mit auf den Weg.

Berlin, 02.06.2020 – Aufregung in den Beratungsstellen: Mit der für den 04. Juni angekündigten Verabschiedung des LADG werden sich Betroffene erstmals rechtlich gegen diskriminierende Vorfälle in der Berliner Verwaltung (bspw. an Berliner Schulen, Polizei, Justiz und Behörden) zur Wehr setzen können.

Aus Sicht von Verbänden aus der Antidiskriminierungsarbeit schließt das Gesetz eine wichtige Schutzlücke: Bisweilen ist rechtlicher Diskriminierungsschutz nämlich auf die Bereiche Arbeit und Dienstleistungen unter Anwendung des Allgemeines Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) begrenzt.

Ein Gesetz allein schützt nicht vor Diskriminierung

“Gut 20% der Diskriminierungsfälle, die uns 2019 erreicht haben, sind auf das Handeln staatlicher Behörden zurückzuführen, darunter Jugendämter, Polizei und öffentliche Schulen”, sagt Shemi Shabat vom Antidiskriminierungsnetzwerk des Türkischen Bundes Berlin-Brandenburg.

Mit Blick auf den Schutz vor rassistischer Diskriminierung hält Dr. Céline Barry, Projektleiterin bei EACH ONE von EOTO e.V. fest: „Der Schutz vor institutioneller Diskriminierung ist eine wichtige Etappe in der Geschichte des Antirassismus in Berlin. Mit dem LADG wird anerkannt, dass institutioneller Rassismus existiert und ihm entgegenzuwirken ist. Gleichzeitig wissen wir, dass ein Gesetz allein Menschen noch nicht vor Unterdrückung und Ausschluss schützt.“

Weitere Problemfelder tun sich auf, wenn es um die Frage der effektiven Umsetzung des Gesetzes geht: Etwa wurde der Forderung nach einem offenen Katalog der Diskriminierungsgründe nicht Rechnung getragen. Noch nicht etablierte Dimensionen wie etwa Gewichtsdiskriminierung oder Nationalität stehen also weiterhin außen vor. Auch für den Bereich des Diskriminierungsschutzes an Schulen und Kitas sieht das Bündnis dringend Bedarf nach weiteren Maßnahmen.

Angesichts der von der Polizei viel kritisierten Vermutungsregelung im LADG äußert Zeynep Cetin, Rechtsanwältin und Projektleitung des Netzwerk gegen Diskriminierung und Islamfeindlichkeit von Inssan e.V: “Berlin kommt mit dem Beweismaß im LADG den europarechtlichen Vorgaben nach und setzt diese richtlinienkonform um. Die Regelung normiert keine Schuldvermutung. Für Richter*innen muss das Vorliegen eines Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot zu mehr als 50 % wahrscheinlich sein.“

Neue Hausaufgaben für Antidiskriminierungsarbeit und Verwaltung

Die Verabschiedung des Gesetzes gibt der Antidiskriminierungsarbeit neue Hausaufgaben mit auf den Weg. Dazu zählt: Das Gesetz in juristischer Tiefe zu begreifen, um Betroffene gut beraten zu können; uns in Bezug auf Verbandsklagen als Organisationen zu verbinden; eine produktive Kooperation mit der Ombudsstelle zu erarbeiten sowie die Umsetzung der ‚Kultur der Wertschätzung von Vielfalt‘ durch Fortbildung und Sensibilisierung zu begleiten.

“Gleichsam erwarten wir von der Verwaltung, dass sie die Umsetzung des Gesetzes effektiv gestaltet: Die Stärkung von Antidiskriminierungsverbänden, eine effektive Kommunikation des Gesetzes in die Verwaltung hinein und ein niedrigschwelliger Zugang zu einer handlungsfähigen Beschwerdeinstanz sind dazu notwendige Voraussetzungen. Über die Umsetzung dieser Aufgaben und deren Effektivität muss stetige Transparenz herrschen”, betont Dr. Lino Agbalaka, Vorstandsmitglied des Migrationsrats Berlin.

Kontakt für Rückfragen und Vermittlung von Interviews:

Edwin Greve, Politischer Referent
Tel: 0176 99114943
ed.greve@migrationsrat.de

Gemeinsame Pressemitteilung von

Antidiskriminierungsnetzwerk Berlin des TBB
Each One Teach One (EOTO) e.V.
Migrationsrat Berlin e.V.
Netzwerk gegen Diskriminierung und Islamfeindlichkeit / Inssan e.V.
ISD Berlin
ReachOut
Türkischer Bund in Berlin-Brandenburg e.V.
Amaro Foro
Gesellschaft gegen Gewichtsdiskriminierung
OFEK e.V. – Beratungsstelle bei antisemitischer Gewalt und Diskriminierung