26. November 2020

Bundesregierung verweigert ausreichenden Schutz von Migrant:innen und geflüchteten Frauen vor häuslicher Gewalt

Der Dachverband von Migrantinnenorganisationen – DaMigra e.V. hatte den Fall von Aytan publik gemacht: Aytans Aufenthaltserlaubnis hing von ihrem gewalttätigen Ehemann ab. Sie wehrte sich und wurde abgeschoben, während der Täter bis heute unbestraft bleibt. Fälle wie den von Aytan gibt es viele. Das deckt der Schattenbericht zur Istanbul-Konvention auf, den der Verband gestern zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen veröffentlichte.

Die Istanbul-Konvention ist das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Auch Deutschland hat die Konvention unterzeichnet – behält sich allerdings vor, Art. 59 Abs. 2 und 3 nicht anzuwenden. Gerade diese Absätze jedoch sollen von häuslicher Gewalt betroffenen Frauen Schutz vor Abschiebung garantieren, wenn sie sich gegen den Ehepartner wehren.

Magdalena Benavente, Projektkoordinatorin der Härtefallberatung und Referentin beim Migrationsrat Berlin hat an dem Bericht mitgearbeitet:

„Die Bundesregierung kommt ihrer Verpflichtung, alle Frauen in Deutschland vor häuslicher Gewalt zu schützen, aus unserer Sicht nicht nach.“, stellt Magdalena Benavente fest. „Wir fordern daher die Aufhebung der Vorbehalte der Bundesregierung gegen Art. 59 Abs. 2 und 3. Außerdem muss der akzeptierte Art. 59 Abs. 1 endlich konsequent umgesetzt werden.“

Diese Vorbehalte und damit auch ihre Haltung gegenüber dem Schutz von Migrant:innen und geflüchteten Frauen begründet die Bundesregierung mit formalen Gründen; Das Aufenthaltsgesetz würde betreffende Fälle bereits regeln. Nach den Bestimmungen des Aufenthaltsgesetz sind die Aufenthaltstitel der Eheleute voneinender abhängig. Wird die Lebensgemeinschaft vor der gesetzlich festgeschriebenen Bestandsdauer von 3 Jahre aufgelöst, verliert in der Regel eine der Ehepartner:innen ihre Aufenthaltsberechtigung.

Forderung nach eheunabhängigem Aufenthaltsrecht

„In Falle einer vorzeitigen Trennung, etwa aufgrund von Gewalt, müssen die betroffenen Frauen im Rahmen einer Härtefallprüfung nachwiesen, dass eine Gewaltepisode stattgefunden hat. Außerdem muss nachgewiesen werden, dass die Trennung damit zusammenhängt“, erklärt Magdalena Benavente weiter. „Gerade gegen solche Abhängigkeiten möchte die Istanbul-Konvention wirken. Art. 59 Abs. 1 verpflichtet die Vertragsparteien Maßnahmen zu ergreifen, die sicherstellen, dass von Gewalt betroffen Frauen nach der Auflösung der Ehe eine eigenständigen Aufenthaltserlaubnis erhalten, unabhängig von der Bestandsdauer der Ehe.“

Würde diese Verpflichtung konventionskonform umgesetzt werden, dürfte §31 keine Ehebestandsdauer verlangen; Ehepartner:innen müssten von Anfang an voneinander unabhängige Aufenthaltstitel erteilt werden. Oder anders gesagt: Würde diese Verpflichtung konventionskonform umgesetzt werden, hätte Aytan nicht abgeschoben werden können.

Kontakt für Rückfragen & Interviews:

Magdalena Benavente, Juristin der Härtefallberatung

E-Mail: magdalena.benavente [at] migrationsrat.de

Telefon/Mobil: 0157 31 65 71 82